Peiders Glosse

Karikatur: Herr Fred

Reiche Ausbeute

Ich war so gwundrig herauszufinden, welche Blüten der Ideenwettbewerb «Der schönste Bündner Dorfplatz für das schönste Bündner Bergdorf» getrieben hat, dass mir die Bitte, Einblick in die Vorschläge zu gewähren, nicht abgeschlagen werden konnte. Die Jury bat mich einzig darum, unbedingt die Anonymität der Einsender zu wahren. So kämpfte ich mich denn durch die verrücktesten Ideen hindurch und kann hier eine Auswahl vorstellen:

Gleich zwölfmal wurde geschrieben: ‚Wir sollten uns ein Kopfsteinpflaster wie Bergün leisten – von der Kirche bis hinauf zum Bazar und vom Central bis hinauf zum Dorfladen! Das macht so richtig den Dorfplatz aus.‘

Dann folgten die vielen Einzelvorschläge: ‚Wie wär’s mit richtig nostalgischen Strassenlaternen mit Kohlefadenlampen und versteckten kleinen Lautsprechern, aus denen beim Einnachten jeweils das Määhh der Berggeissen ertönt?‘ 

Ein offenbar älterer Einsender meinte: ‚Die Bank vor dem Bazar ist immer besetzt, wenn ich komme. Ich wünsche mir deshalb auf dem Dorfplatz ein paar wirklich hübsche Schmiedeeisen-Bänkli, wo man sich gemütlich zum Plaudern mit anderen hinsetzen kann.‘

Ganz anders klingt es von einer Gruppe junger Leute. Sie wünschen sich auf dem vormaligen Turnplatz zwischen Central und altem Dorfschulhaus eine «richtig coole Skater-Anlage mit Halfpipe» und sie schreiben dazu: ‚Das wäre doch auch eine Attraktion für die Alten, die uns zuschauen könnten!‘

Eine Idee richtet sich eher an die Kirchgemeinde Steinbach: ‚Wie wäre es doch schön, wenn man beim Betreten der hübschen kleinen Dorfkirche aus Lautsprechern ein schönes Orgelrezital hören könnte! Ich bin überzeugt, dass die Kirche zu jeder Tageszeit so viel öfter besucht würde.‘ Ein schöner Gedanke!, meine ich.

Zwei Kulinariker haben sich zusammengesetzt und eine ganz besondere Idee ausgeheckt: Sie schlagen vor, ein richtig nostalgisches Dorfcafé namens ‚Bim Zinsli‘ einzurichten. Darin wäre eine altertümliche Wurlitzer-Musicbox aus dern alle Titel von Peter Zinsli, dem berühmtesten Tschiertscher, abgespielt werden könnten. Vor dem Dorfcafé hätte es ein paar runde Tischchen, um dem Dorftreiben zuzuschauen. Auf dem Dorfplatz wäre selbstverständlich eine eindrückliche Holzskulptur des Bildhauers Peter Leisinger aufgestellt, die Peter Zinsli mit seinem Bündnerörgeli zeigt. Und die beiden Kulinariker machen sich gar bereits Gedanken, worin das Angebot im Dorfcafé bestehen könnte. Jeden Wochentag eine andere Torte, um die Internationalität von Tschiertschen zu unterstreichen: Montags Schwarzwäldertorte, dienstags Linzertorte, mittwochs Sachertorte, donnerstags Zuger Kirschtorte, freitags Bündner Nusstorte und samstags Key Lime Pie. Mir läuft schon beim Schreiben das Wasser im Mund zusammen. 

Ein Büchernarr schreibt: ‚Ich würde die alte Telefonkabine auf dem Dorfplatz wieder aufstellen und darin statt des Telefons die kleinste Dorfbibliothek der Welt einrichten.‘ Vielleicht würde das gar zu einem Eintrag ins Guiness-Buch der Rekorde reichen?

Den Vogel abgeschossen hat folgende Idee: Im Schaufenster des Coiffeur-Salons könnte eine Powerpoint-Präsentation laufen, die alle Einheimischen vor und nach dem Coiffeurbesuch zeigt. Das wäre perfekte Reklame für die Coiffeuse und ein guter Weg für Gäste, alle Einheimischen in Ruhe kennenzulernen. Der Einsender fügt an: Ich bin überzeugt, dass ständig eine Traube von Leuten vor dem Schaufenster stehen und sich die Verwandlungskünste der Coiffeuse ansehen würde.

Auch der Dorfbrunnen wird thematisiert. So schreibt ein Nostalgiker: Der Dorfbrunnen ist das Wichtigste auf einem Dorfplatz. Man sollte diesen vor allem abends besonders hervorheben, beispielsweise durch eine Unterwasserbeleuchtung. Ich hätte gerne hinzugefügt, weshalb nicht gar ein paar Karpfen darin schwimmen lassen?

Schliesslich stiess ich auf eine Einsendung auf der stand: ‚Was in Tschiertschen fehlt, ist ein hübscher Blumenladen. Der perfekte Platz dafür wäre doch die Alte Post. Ich stelle mir jetzt schon vor, wie dort die vielen bunten Blumenkübel vor dem Geschäft stehen und dem ganzen Dorfplatz eine wunderbare Aura vermitteln könnten.‘

Schliesslich wünscht sich jemand während der Wintersaison jeweils übers Wochenende einen Marroni-Stand auf dem Dorfplatz. Allein schon der Gedanke an den Duft, den dieser verströmt …

Die Liste der eingesandten Ideen könnte noch schier endlos fortgesetzt werden. Ich war überwältigt zu vernehmen, wie sich Einheimische und Zweitheimische für den «schönsten Bündner Dorfplatz» ins Zeug legten. Für einmal stammten gar die knackigsten Ideen nicht von auswärts. Gespannt bin ich nun vor allem, welche drei Ideen siegen werden; denn den drei Erstprämierten winkt gemäss der Jury ein Saisonabonnement für das Nostalgie-Postauto.

22. Januar 2021

Peter Knobel

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